Der Fall Hefenhofen
Der Fall Hefenhofen
Sicht des Tierschutzes auf die Gerichtsverhandlung im Fall Hefenhofen
Der Schweizer Tierschutz STS ist aus Sicht des Tierwohls enttäuscht über das Urteil gegen UK. Es liegt weit unter den Forderungen des Staatsanwalts, beinhaltet leider kein Tätigkeitsverbot und das Strafmass erachten wir als zu gering. Es kann nicht sein, dass jemand in mehr als 500 Fällen von Tierquälerei beinahe ungestraft davonkommt, Jahrzehnte lang Gerichte und Behörden beschäftigt, unverbesserlich ist in Sachen Tierhaltung, sich nicht an behördliche Weisungen und Verfügungen hält und lange Jahre viel Tierleid bei zahlreichen Tieren verursachte.
Sehr empörend sind auch Anwälte, die vom Gericht und von der Öffentlichkeit verlangen, eindeutige Bilder und Beweise zu den Geschehnissen zu ignorieren, da sie prozessrechtlich aus ihrer Sicht nicht relevant sein dürfen. Und die damit bei den Richtern offensichtlich auch noch auf Erfolg stossen.
«Macht endlich vorwärts, dem Tierwohl zuliebe!»
Ein offener Brief des Schweizer Tierschutz STS an Institutionen und Organisationen in Tierschutz, Recht & Politik
Der Schweizer Tierschutz STS fordert, dass die gesetzlichen Tierschutzbestimmungen von allen Akteuren endlich so umgesetzt werden, wie es das Tierwohl verlangt und wie es die Tiere verdienen. Skandalöse Nicht-Urteile wie im Fall Hefenhofen haben eine fatale Signalwirkung für das Tierwohl. Tierquälerei wird so nicht gestoppt, sondern letztlich sogar gefördert.
Tierquälerische Verstösse gegen den Tierschutz und das Tierwohl werden viel zu oft als Kavaliersdelikt behandelt. Immer wieder schlüpfen überführte Tierquäler durch die Maschen des Gesetzes, werden zu milde oder gar nicht bestraft. Hefenhofen ist kein Einzelfall. Sondern reiht sich nahtlos ein in eine Vollzugskrise, die schon viel zu lange andauert. Dagegen wehren wir uns mit aller Kraft.
Dies ist auch ein Hohn für Behörden, Privatpersonen und Organisationen, die sich für den Tierschutz und gegen Tierquälerei einsetzen. Sie sollten darin bestärkt werden, dass die gesetzlichen Tierschutzbestimmungen tatsächlich angemessen umgesetzt werden und Tierquälerei geahndet wird. Dem Vollzug sind die dafür notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen.
Nicht-Urteile wie im Fall Hefenhofen bewirken das Gegenteil. Denn sie sind kein Einzelfall, sondern folgen einem Muster. Tierquälerei wird oft gar nicht erst zur Anzeige gebracht oder nicht behandelt und zuletzt von den Gerichten nicht hart genug bestraft.
Eingereicht im Juli 2023 an:
Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV
Bundesamt für Landwirtschaft BLW
Bundesamt für Justiz BJ
Konferenz der kantonalen Landwirtschaftsdirektoren LDK
Schweizerische Vereinigung der Richterinnen und Richter SVR
Schweizerische Staatsanwälte-Konferenz SSK
Vereinigung der Schweizer Kantonstierärztinnen und Kantonstierärzte VSKT
Veterinäramt Kanton Thurgau
Bezirksgericht Arbon
Staatsanwaltschaft Frauenfeld
Liste der Unterzeichneten (Stand 02.05.23)
Impressionen der betroffenen Pferde
Detaillierte Stellungnahme des STS
«In dubio pro animale» oder «In dubio pro reo» – echt jetzt?»
Ausgangslage ist ein Land mit einem Tierschutzgesetz, welches als eines der strengsten der Welt betrachtet wird und eine lange Anklageschrift des Staatsanwaltes:
- Tierquälerei in mehr als 500 Einzelfällen und schwere tierseuchenrechtliche Verstösse gegenüber Hunden, Schafen, Ziegen, Hühnern, Schweinen, Rindern, Pferden, Ponys, Fohlen und Mutterstuten, zahlreichen Jungtieren und Kümmerern.
- Gefährdung von Leben durch grob fahrlässiges Verhalten im Strassenverkehr
- zahlreiche Ehrverletzungen und Beschimpfungen
- Weitere Straftaten wie Verstösse gegen das Lebensmittelgesetz, fehlende Registrierung und Aktualisierung des Tierbestandes in der Tierverkehrsdatenbank, Urkunden- und ausländerrechtliche Delikte, Bruch amtlicher Beschlagnahme, Nichtabgabe von Ausweisen und Kontrollschildern, und anderes mehr.
Seit 1994, also bald 3 Jahrzehnte lang, beschäftigt UK Behörden und Gerichte. Er quält, tötet und schächtet Tiere, bedroht Amtspersonen, tritt als Querulant mit sadistischen Zügen auf, zeigt immer wieder grosse Schadenfreude, wenn es ihm gelingt, sein Gegenüber mit übermässiger Brutalität zu schockieren, etwa, als er ein Fohlen vor den Augen zweier Polizisten erschiesst oder auch als ein Pferd jämmerlich durch die Misshandlungen seines Peinigers und aus Angst beim Hufbeschlag auf seinem Hof verendete.
Über Jahre hinweg erreichten die Behörden und Amtspersonen Beweise, Hinweise und Dokumente, von anderen Behörden, Kontrollpersonen, Amtstierärzten, praktischen Tierärzten, Polizisten, Grenz- und Zollbeamten sowie Privatpersonen, welche die Missstände und das Tierleid des bereits wegen mehrfacher Tierquälereien, Drohungen und Gewaltdelikten verurteilten Landwirts. Immer wieder hat man mit Verurteilungen, Weisungen und Massnahmen versucht, die Tierzahlen auf dem Hof zu beschränken, den baulichen Tierschutz gesetzeskonform zu halten und die Tierhaltung den gesetzlichen Mindestanforderungen gemäss einzustellen. Aber all das hat UK nicht interessiert, er hat sich an nichts von dem gehalten, keine Forderungen erfüllt und auch keine Empfehlungen in Sachen Tierwohl jemals auch nur annähernd umgesetzt. Er hat nach wie vor zu viele Tiere auf dem Hof gehalten und sie so sehr und so lange vernachlässigt, bis sie abgemagert bis auf die Knochen, geschwächt und allein in der Gruppenhaltung zusammenbrachen und qualvoll im Morast verendeten. Viele Bilder erreichten die Öffentlichkeit, die genau das zeigten. Immer wieder. 2017 dann endlich, sollte dies ein Ende haben.
Die Behörden haben sich untereinander verständigt und zum Handeln vereint: der Hof wurde am 7. August 2017 geräumt, bis auf das letzte Tier. Manche konnten den Hof nicht lebend verlassen und wurden an Ort und Stelle euthanasiert, andere wurden geschwächt abtransportiert und zeitnah der Schlachtung zugeführt. Alles, was sich noch einigermassen auf den Beinen halten konnte und als rekonvaleszent eingestuft wurde, ging weiter an Viehhändler zur Mast oder zum Weiterverkauf, oder wurde nach kurzer Erholungspause in der Kaserne im Sand in Schönbühl versteigert.
Ginge es nach dem Rechtsanwalt des UK, dürfte von den vielen Bildern, Beweisen und Dokumentationen dieser Zeit praktisch nichts verwertet werden, da «sämtliche Beweise nicht rechtsgültig erhoben worden seien». Dass das Gericht dieser Annahme tatsächlich folgen würde, hat wohl niemand in diesem rechtsstaatlichen Land erwartet.
Viele Sachverhalte, die dem Gericht geschildert wurden und welche die Kälte und Grausamkeit des UK gegenüber den ihm anvertrauten Tieren widerspiegelten, wurden demnach entweder als Kavaliersdelikte eingeordnet oder inhaltlich überhaupt nicht geprüft und verwertet. So hält auch der Rechtsanwalt fest, dass «Medienvertreter und Tierschützer gut daran täten, sich andere Bilder zu suchen, da die bisher gezeigten für ein Verfahren wegen Tierquälerei nicht relevant seien».
Aus dem Gerichtssaal konnte wiederholt mitgenommen werden, dass verwaltungsrechtliche Beweiserhebungen nicht mit strafrechtlichen vermischt werden dürften. «Summarische Beweiserhebungen und ungefähre Beurteilungen durch Amtstierärzte genügen den Anforderungen eines Strafprozesses nicht, denn da ist die Beweiserhebung viel detaillierter und genauer. Daher reichen Beweise von den Amtstierärzten eben nicht», so der Richter. Und: «Bilder stellen keinen Beweis dar, es sind nur Momentaufnahmen».
Wenn aber Anwälte und Richter von der Öffentlichkeit verlangen, diese schrecklichen Bilder und die vorliegenden Beweise vom Sommer 2017 zu ignorieren, da sie prozessrechtlich nicht relevant sein dürfen, dann kommt dies einer «verordneten» Gehirnwäsche gleich, die da seitens des Gerichts von der Bevölkerung, von Tierfreunden und von Zeugen verlangt wird. Im Grundsatz hebelt genau dies das Tierschutzgesetz aus. Das dürfen wir nicht zulassen.
Dass bei UK über viele Jahre tierschutzrelevante Tatbestände festgehalten werden konnten, dass es vielen Tieren schlecht ging und sie leiden, mussten über einen langen Zeitraum, dass er sich von niemandem etwas sagen lassen wollte und sich über Jahre hinweg weiteren Anordnungen wiedersetzte, dass er die Behörden immer wieder beschäftigte, das Veterinäramt, das Landwirtschaftsamt, das Umweltamt, die Kantonspolizei.
Dass er seit zig Jahren in zig Fälle und in zig Prozesse involviert ist oder diese gar erst als eine Art Verzögerungstaktik initiiert hat, dass er sich sämtlichen deeskalierenden Massnahmen entzogen und sich kaum je an Absprachen gehalten hat, dass er nicht einsichtig ist, ständig alles verzögern will und ein schwieriges Verhalten im Umgang mit den Behörden an den Tag legt, das alles ändert nichts daran, dass er allein für das Tierwohl auf seinem Hof und als Tierhalter für jedes einzelne Tier und dessen Tierleid verantwortlich ist und die vielen Anklagepunkte allesamt selbst verschuldet und auch selbst zu verantworten hat. Auch sein Schweigen vor Gericht wird ihn belasten. Denn, wenn er jetzt nicht die Gelegenheit wahrnimmt, seine Sicht der Dinge mit seinen eigenen Worten einzubringen, dann ist das einmal mehr ein Zeichen dafür, dass ihm trotz der erdrückenden Faktenlage und der vielen objektiv und subjektiv erfüllten Tatbestände, die Einsicht für sein fehlbares Verhalten und das durch ihn verursachte enorme Tierleid, schlichtweg fehlt. So jemandem dürfen aber keine Tiere mehr anvertraut werden.
«Ein Kümmerer ist kein krankes, sondern ein geschwächtes Tier, so der Richter. «Demnach sind geschwächte Tiere keine kranken Tiere, denn sie können gemästet und geschlachtet werden wie andere auch. Der Handel und die Verwertung von geschwächten Tieren sind nicht verboten. Die Anklage spricht aber immerzu von kranken Tieren: Es wurden kranke Tiere geliefert, kranke Tiere gehalten, kranke Tiere abgegeben, kranke Tiere verwertet. Auch ein Tier mit einem Bruch ist kein krankes Tier. Wenn sie aber nicht krank sind, fällt die Anklage in sich zusammen». Zu vergleichen sei das heute beispielsweise mit Äpfeln, die vielleicht angeschlagen sind und nicht mehr so schön aussehen. Diese sind dennoch genussfähig, können verkauft und gegessen werden, so der Richter.
Dass geschwächte Tiere besondere Bedürfnisse haben, liegt eigentlich auf der Hand – und dass sie diese auf dem Hof von UK nicht erfahren dürfen und werden, auch. Dass Tierärzte Kümmerer nicht per se als krank einstufen, ist grundsätzlich richtig. Dass diesen Tieren aber besondere Sorgfalt und Pflege Zugutekommen muss, damit sie sich artgemäss entwickeln können bzw. ihren Entwicklungsrückstand aufholen können, ist auch klar. Die Tierschutzbestimmungen stellen demnach auch nicht nur darauf ab, dass ein Tier zwingend krank sein muss. Sie stellen vielmehr darauf ab, dass eben alles dafür getan werden muss, damit sie eben nicht krank werden und, dass ihren Bedürfnissen in bestmöglicher Weise Rechnung getragen wird und für ihr Wohlergehen gesorgt ist.
Wir alle haben diese schrecklichen Bilder gesehen und konnten darauf erkennen, dass es Wochen, wenn nicht gar Monate gedauert haben muss, bis die Tiere geschwächt und bis auf die Knochen abgemagert zusammengebrochen und verendet sind. Da steht Tierleid im höchsten Masse dahinter – und wir alle machen uns mitschuldig, wenn wir das Urteil gegen UK so zulassen und den Behörden erlauben, solche Missstände mit feinfühligen Lebewesen nicht entsprechend unserem Tierschutzgesetz zu verurteilen.
Die Behörden haben sich untereinander verständigt und zum Handeln vereint: der Hof wurde am 7. August 2017 geräumt, bis auf das letzte Tier. Manche konnten den Hof nicht lebend verlassen und wurden an Ort und Stelle euthanasiert, andere wurden geschwächt abtransportiert und zeitnah der Schlachtung zugeführt. Alles, was sich noch einigermassen auf den Beinen halten konnte und als rekonvaleszent eingestuft wurde, ging weiter an Viehhändler zur Mast oder zum Weiterverkauf, oder wurde nach kurzer Erholungspause in der Kaserne im Sand in Schönbühl versteigert.
Ginge es nach dem Rechtsanwalt des UK, dürfte von den vielen Bildern, Beweisen und Dokumentationen dieser Zeit praktisch nichts verwertet werden, da «sämtliche Beweise nicht rechtsgültig erhoben worden seien». Dass das Gericht dieser Annahme tatsächlich folgen würde, hat wohl niemand in diesem rechtsstaatlichen Land erwartet.
In dubio pro animale in diesem Fall.
Replik aus Sicht des STS zum Prozess
Auch am 4. Verhandlungstag (8.3.2023) im Prozess gegen UK am Arboner Bezirksgericht, ging es im Plädoyer seines Rechtsbeistands primär darum, die diversen schwerwiegenden Anklagepunkte der Staatsanwaltschaft auszuräumen bzw. aufgrund von Verfahrensfehlern gar nicht erst gelten zu lassen. Von Tierquälerei in mehr als 500 Einzelfällen, über schwere tierseuchenrechtliche Verstösse bis hin zur Gefährdung von Leben durch krass grobfahrlässiges Verhalten im Strassenverkehr sowie zahlreiche ehrverletzende Fälle und Beschimpfungen und weitere Straftaten wie etwa fehlende Registrierung und Aktualisierung des Tierbestandes in der Tierverkehrsdatenbank, Urkunden- und ausländerrechtliche Delikte. Nichts davon sollte verwertet werden dürfen, da sämtliche Beweise nicht rechtsgültig erhoben worden wären. Die tierquälerischen und tierseuchenrechtlichen Delikte betrafen gemäss Staatsanwaltschaft in mehr als 500 Fällen Hunde, Schafe, Ziegen, Hühner, Schweine, Rinder und zahlreiche Pferde, darunter auch Ponys sowie Fohlen und Mutterstuten wie auch zahlreiche Jungtiere. Auch ein Pferdeskelett auf dem Miststock, von dem der Angeklagte sich angeblich bis heute nicht erklären kann, wie es überhaupt dorthin gekommen ist, «es sei ihm offenkundig untergeschoben worden», beschäftigte das Gericht und vorgängig die Mitarbeiter des Veterinäramts sowie die Polizei.
Überhaupt reklamierte der Rechtsvertreter des Angeklagten nicht nur dessen vollumfängliche Unschuld in allen Anklagepunkten, sondern auch, dass UK von Anfang an ein Behörden-Opfer gewesen sei, im Verlauf der Deliktshistorie seine Parteirechte nicht hätte ausüben können und schlussendlich nicht er der Tierquälerei angeklagt werden müsse, sondern die Vertreter des Veterinäramts, in Person der damalige Kantonstierarzt und sein Stellvertreter. Im Besonderen kann sich der Angeklagte auch nicht daran erinnern, jemals Tiere vernachlässigt und beispielsweise kranke Hühner gehalten zu haben oder keine korrekt abgelegten Tierverzeichnisse gehabt zu haben, schliesslich sei allen bekannt gewesen, dass er «mit Computern auf Kriegsfuss stehe» und sämtliche Verzeichnisse zu den gehaltenen Tieren entweder in einem roten Ordner abgelegt oder in seinen Räumen an den Kastentüren aufgehängt gewesen seien.
Er könne nichts dafür, wenn bei der Hausdurchsuchung die Verzeichnisse nicht gefunden und oder diese nicht mitgenommen worden waren, da das Interesse der durchsuchenden Personen ausschliesslich auf den Pferdepässen lag, damit die gewinnbringenden Tiere baldmöglichst durch die Behördenvertreter verkauft werden könnten. Er kann sich auch nicht daran erinnern, die verschiedenen Tiergattungen nicht entsprechend den Vorgaben der Tierschutzbestimmungen ernährt und gepflegt zu haben, schliesslich könne er nichts dafür, wenn die Beamten bei der Hofräumung falsche Schlüsse gezogen hätten, weil sie den grossen und hygienisch einwandfrei gelagerten Futterbestand für die Tiere nicht hätten finden können. So und ähnlich argumentierte der Rechtsvertreter über Stunden.
Zudem hätte vieles sofort aufgeklärt werden können, wenn man UK nicht in Gewahrsam genommen hätte. So sei auch erklärbar, weshalb die Tiere am Tag der Hofräumung verdreckt und ungepflegt gewesen seien: UK konnte sich letztmals am Morgen des 7. August 2017 um die Tiere kümmern und bis zur Hofräumung am nächsten Tag, hatten sie, unter anderem bedingt durch Starkregen und das durch die Beamten verursachte Chaos auf dem Hof, jenste Möglichkeiten, sich etwa beim Wälzen vor dem Abtransport oder auch anderweitig, quasi naturgegeben, zu beschmutzen. Daraus eine etwaige Vernachlässigung der Tiere abzuleiten, sei verfehlt. Hierfür würde auch das von Professor Anton Fürst ausgeführte Gutachten sprechen, indem verdeutlicht werde, dass der Pferde-Laie eben gerne und schnell in die Sportpferde-Falle tappen würde, indem vor allem die Medien nur sauber geputzte, perfekt gepflegte Sportpferde abbilden würden und dem Laien so suggeriert werde, dass Pferde per se sauber und gepflegt erscheinen würden, was aber eben bei natürlich gehaltenen Pferden, wie auf dem Hof von UK, längst nicht immer der Fall sei. Daraus dürfen aber keine «falschen» Schlüsse auf mögliche Versäumnisse des Angeklagten abgeleitet werden, so UKs Rechtsbeistand, im Gegenteil, die Versäumnisse der Behördenvertreter hätten das Tierleid, wenn es denn überhaupt jemals ein solches gegeben habe, selbst zu verantworten.
Immerhin konnte durch die Aufnahme der Pferde im Sand «und die grossartige Arbeit der Rekruten unter der Leitung des Oberst Liechti», ausreichend gut dokumentiert werden, dass keines der Tiere wirklich stark vernachlässigt gewesen sei und Hunger leiden musste oder wegen mangelnder Hufpflege nicht gut laufen konnte oder gar lahm gewesen sei. Es sei normal, dass laktierende Mutterstuten mit Fohlen bei Fuss «ausgelaugt» seien und magerer wären als vergleichsweise andere Pferde. Zudem, nach 8 Tagen Pflegekur im Sand, hätten gar die magersten Pferde wieder an Gewicht zugenommen und konnten in gutem Ernährungszustand präsentiert werden, so die blumige Interpretation des Rechtsvertreters des Angeklagten UK über das Pferde-Ferienlager im Sand unter Aufsicht des Militärs.
Anmerkung: Die Bilder sprechen allerdings eine ganz andere Sprache. Es ist nicht möglich, selbst unter den besten Pflege- und Fütterungsbedingungen, dass so stark abgemagerte und vernachlässigte Pferde innert 8 Tagen wieder ganz gesund und «happy» erscheinen würden. Das kann auch eine noch so gut funktionierende Militäreinheit nicht in einer Woche hinbekommen.
Dass bei UK über viele Jahre tierschutzrelevante Tatbestände festgehalten werden konnten, dass es vielen Tieren schlecht ging und sie leiden mussten über einen langen Zeitraum, dass er sich von niemandem etwas sagen lassen wollte und sich über Jahre hinweg jensten Anordnungen wiedersetzte, dass er die Behörden immer wieder beschäftigte, das Veterinäramt das Landwirtschaftsamt, das Umweltamt, die Kantonspolizei.
Dass er seit zig Jahren in zig Fälle und in zig Prozesse involviert sei oder diese gar erst als eine Art Verzögerungstaktik initiiert habe, dass er sich sämtlichen deeskalierenden Massnahmen entzogen und sich kaum je an Absprachen gehalten hätte, dass er nicht einsichtig sei, ständig alles verzögern wolle und ein schwieriges Verhalten im Umgang mit den Behörden an den Tag lege, ändere nichts daran, dass er allein für das Tierwohl auf seinem Hof und als Tierhalter für jedes einzelne Tier und dessen Tierleid verantwortlich sei und die Anklagepunkte allesamt selbst verschuldet und auch selbst zu verantworten habe, so der Staatsanwalt.
Auch sein Schweigen vor Gericht wird ihn belasten, bezeugen Aussagen von Prozessbesuchern. Denn, wenn er jetzt nicht die Gelegenheit wahrnehme, seine Sicht der Dinge mit seinen eigenen Worten einzubringen, dann sei das einmal mehr ein Zeichen dafür, dass ihm trotz der erdrückenden Faktenlage und der vielen objektiv und subjektiv erfüllten Tatbestände, die Einsicht für sein fehlbares Verhalten und das durch ihn verursachte enorme Tierleid, schlichtweg fehle. So jemandem dürfen aber keine Tiere mehr anvertraut werden.
Das dürfte nach den erschütternden Bildern, der vielen leidenden und stark vernachlässigten wie auch grausam und erbärmlich verendeten Tieren, nicht nur für Tierschützer auf der Hand liegen.
Der Schweizer Tierschutz STS unterstützt daher die Staatsanwaltschaft vollumfänglich in allen Anklagepunkten mit dem jeweils höchsten Strafmass. Es sind gesamt 6 Jahre und 4 Monate Freiheitsstrafe gefordert, sowie eine unbedingte Geldstrafe von 130 Tagessätzen à 30.- CHF und eine Busse von 2’800.- CHF oder, wenn dies nicht geleistet werden kann eine Ersatzstrafe von 28 Tagen. Ausserdem wurde zwecks Vermögensabschöpfung eines deliktisch erlangten Gewinns eine Ersatzforderung von 19’200.– Franken beantragt. Zusätzlich fordert der Staatsanwalt ein 20-jähriges Verbot Tiere zu halten oder zu betreuen sowie ein Verbot als Landwirt tätig zu sein. Die Untersuchungs- und Verfahrenskosten sind UK anteilig zu übertragen.
Nach der Urteilsverkündung am 21.3.2023 muss kompakt festgehalten werden:
Der Schweizer Tierschutz STS ist aus Sicht des Tierwohls enttäuscht über das Urteil gegen UK. Es liegt weit unter den Forderungen des Staatsanwalts, beinhaltet leider kein Tätigkeitsverbot und das Strafmass erachten wir als zu gering. Es kann nicht sein, dass jemand in mehr als 500 Fällen von Tierquälerei beinahe ungestraft davonkommt, jahrelang Gerichte und Behörden beschäftigt, unverbesserlich ist in Sachen Tierhaltung, sich nicht an behördliche Weisungen und Verfügungen hält und lange Jahre viel Tierleid bei zahlreichen Tieren verursachte. Sehr empörend sind auch Anwälte, die vom Gericht und von der Öffentlichkeit verlangen, eindeutige Bilder und Beweise zu den Geschehnissen zu ignorieren, da sie prozessrechtlich aus ihrer Sicht nicht relevant sein dürfen. Und die damit bei den Richtern offensichtlich auch noch auf Erfolg stossen.
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